Als ich die Diagnose Colitis ulcerosa erhielt, war ich 27 Jahre alt – viel zu jung, um so krank zu sein. Mit den Symptomen lief ich da aber schon viel länger rum. Ungefähr ein Jahr vor der Diagnose gingen die Beschwerden überhaupt nicht mehr weg. Ich hatte immer wieder etwas Blut im Stuhl, war schwach, hatte enorme Schlafstörungen und litt unter einem unangenehmen Schwindelgefühl. Trotzdem bin ich jeden Tag arbeiten gegangen. Ich habe mich gequält, war total verzweifelt. Und ich hatte Angst. Ich wusste, dass irgendwas nicht stimmt.
Ich bin von einem Arzt zum anderen gerannt, aber keiner konnte eine genaue Diagnose stellen. Zu der Zeit hatte ich schon starke Durchfälle und viel Blut im Stuhl, und trotzdem ging der Proktologe immer noch von einem Magen-Darm-Virus aus.
Als die Diagnose CED kam, war ich noch glücklich: Kein Krebs!
Dann machte mir mein Stiefvater, der Arzt ist, einen Termin zur Koloskopie. Die Diagnose: Colitis ulcerosa. Ich war ja so glücklich! Kein Krebs oder etwas anderes Schlimmes! Ich hatte ja keine Ahnung.
Einmal täglich nahm ich nun Mesalazin und hatte keinerlei Beschwerden. Auch die Ärzte sprachen von einem sehr leichten Verlauf, der mich in meinem Leben nicht weiter einschränken würde. Ein Jahr lang war alles gut; dann war ich als junger Mensch von einem Moment auf den nächsten schwer krank.
Ich war nicht mehr lebensfähig
Mir war übel, ich hatte sehr viel Blut im Stuhl, innerhalb von einer Woche baute ich stark ab und kam mit Fieber ins Krankenhaus. In den anderthalb Jahren danach musste ich immer wieder über Wochen ins Krankenhaus. Ich nahm jede Menge Medikamente: Kortison, Immunsuppressiva, Antibiotika, die aber alle nicht anschlugen. Der Blutverlust nahm mir jegliche Energie, ich wog nur noch 49 Kilo und verlor meine Haare. Ich lag im Bett, war nicht mehr lebensfähig. Ich hatte Angst zu sterben. Die Diagnose lautete: schwere therapierefraktäre Pancolitis. Was heißt: Der gesamte Dickdarm war entzündet, und die Medikamente halfen nicht. Damit kam das Thema Operation auf den Tisch.
Der größte Trost kam von anderen Betroffenen
Wer mir in dieser Zeit am meisten geholfen hat, war eine Gruppe von operierten Menschen, die mir Hoffnung geben konnten. Zu sehen, dass sich mein Zustand auch wieder ändern kann, war ein großer Trost. Natürlich helfen auch Familie, Freunde und Ärzte. Aber das Gefühl, dass es wirklich besser werden kann, konnten mir nur die Betroffenen geben.
Meine Ärzte und ich planten eine Zweizeitige OP, das heißt eine Operation, in der der Dickdarm entfernt und ein J-Pouch gelegt wurde. Natürlich hatte ich Angst vor der Operation und der Narkose. Aber am meisten fürchtete ich mich vor dem Zustand direkt danach: Wie fühlt man sich ohne Dickdarm? Ich wollte genau wissen, mit welchen Schläuchen und Geräten ich aufwachen würde.
Ich bin sehr dankbar für die Ärzte, die mich betreut haben. Ich habe mich immer gut aufgehoben gefühlt.
Noch keinen Tag bereut
Seit 2017 lebe ich mit dem J-Pouch, und ich habe es noch keinen Tag bereut, dass ich mich habe operieren lassen. Alles ist besser, als mit einer schweren Colitis ulcerosa zu leben. Ich mache eine neue Ausbildung, gehe nebenher arbeiten, bin ehrenamtlich tätig, reise, habe einen Partner, mache Sport. Eigentlich mache ich alles, wonach mir ist.
An schlechten Tagen bin ich eben müde. Ich habe akzeptiert, dass ich mit einer chronischen Erkrankung lebe. Daran kann auch die Operation nichts ändern.
Am liebsten würde ich nun berichten, dass man mit Pouch ein völlig sorgenloses, toilettenarmes Leben führen kann. So ist es leider nicht – aber man lebt ein größtenteils gutes Leben! Mein Pouch ist sehr nachtaktiv. Das heißt, dass ich nachts zur Toilette muss und tagsüber häufig müde bin. Aber das geht nicht allen so. Wie bei der Colitis ulcerosa ist auch das Leben mit Pouch bei jedem anders. Das weiß ich, weil ich mich in der Selbsthilfegruppe dugehstnichtallein engagiere. Dieser Austausch unter Betroffenen ist das Wertvollste überhaupt, um mit der Erkrankung besser umgehen zu können: Die gegenseitige Unterstützung ist enorm und wir sind froh, einander zu haben. Unsere Selbsthilfegruppe ist mit den Jahren unglaublich gewachsen.
Was ich anderen Patientinnen und Patienten mit auf den Weg geben möchte:
- Versuche, offen mit deiner Erkrankung umzugehen. Es gibt viele von uns, und das Thema CED wird immer bekannter, denn immer mehr Betroffene sprechen darüber. Also: Steh deine Krankheit nicht alleine durch. Sprich mit Betroffenen. Du bist nicht allein!
- Du musst dich nicht schämen: Dein Darm ist ein Organ wie jedes andere auch. Jeder Mensch geht zur Toilette. Also: Lass dich nicht zu stark von Tabuthemen beeinflussen, das macht die Erkrankung noch schlimmer und schmerzhafter.
- Suche dir gute Ärzte, bei denen du dich sicher fühlst.
- Einen Pouch zu haben, bedeutet leider nicht, wieder wie ein Mensch mit gesundem Dickdarm leben zu können. Aber der J-Pouch ermöglicht dir ein lebenswertes Leben.
Lea ist Mitbegründerin der Selbsthilfegruppe dugehstnichtallein, eine junge Community von Betroffenen, die sich mit viel Herz und Engagement gegenseitig unterstützen. Die Mitglieder setzen sich besonders für Aufklärung und mehr Offenheit im Umgang mit CED ein; dafür ist dugehstnichtallein auch bei Instagram.
