Sie habe eine Endometriose und eine Psoriasis, aber sie nehme keine Medikamente ein. Vor Ihrer Reise wurde sie im Tropeninstitut gegen HAV, HBV, Japanische Enzephalitis, Tollwut und Typhus geimpft.
Sie wirkt nicht schwer krank, ist zu allen Qualitäten orientiert und kardiopulmonal stabil. Die Patientin ist sehr schlank. Die Palpation des linken Oberbauchs ist schmerzhaft ansonsten ist die körperliche Untersuchung unauffällig. Im Labor finden wir ein CrP von 160mg/L. Die Blutkulturen (6/6 Flaschen) werden ohne Wachstum bleiben
Die unser heutiges Infektoskop begleitende - mit allen Mitteln der Bildbearbeitung manipulierte - MRT ihres Abdomens zeigt eine ovaläre Raumforderung im linken Mittelbauch mit einem transversalen Durchmesser von 10 x 8 cm. Diese Läsion führt zu einer Verlagerung der Cauda des Pankreas nach kaudal. In der T2w-Sequenz ist sie signalinhomogen mit signalhyperintensen zentralen Anteilen und Septen. In der diffusionsgewichteten Bildgebung ist diese vornehmlich zentral diffusionsgestört. Wir zeigen die Bilder Herrn Tröger, dem Chefarzt für Gastroenterologie. Sein spontanes Urteil: „Das ist ein Frantz Tumor.“ Der Chefarzt der Radiologie, Herr Trübenbach, hat viel nachgedacht und auch er kommt zu dem Schluss, dass das Bild mit der Verdachtsdiagnose Frantz Tumor sehr gut vereinbar sei. Seine Differentialdiagnose „Abszess“ schätzt er als weniger wahrscheinlich ein. Beide werden recht behalten, aber ihr Verdacht wird die Geschichte nicht in ihrer Vollständigkeit umfassen, sonst wäre dies hier nur ein „Gastroskop“ und nicht auch ein „Infektoskop“.
Was ist ein Frantz Tumor?
Nachlesen müssen wir: Frantz Tumore (Solid Pseudopapillary Tumors) verdanken Ihren Namen Virginia Kneeland Frantz, einer Frau, vor der wir uns am Ende des Infektoskops noch kurz verneigen werden. Frantz Tumore sind sehr selten. Sie treten bei jungen Frauen auf und gehen vom Pankreas aus. Sie sind teils solide, können zystische Anteile haben und einbluten. Sie sind fast immer benigne, können aber auch entarten und dann metastasieren [1].
Es stört was.
Das CrP ist doch recht hoch. Eine Literaturrecherche weist nicht darauf hin, dass Frantz Tumore und ein hohes CrP zusammengehören. Könnte der Entzündungswert durch eine Einblutung angestiegen sein? Ist es vielleicht doch nur ein Abszess? Könnte die Reise der Patientin mit der Läsion in Zusammenhang stehen? Ist es eine Melioidose? Wir phantasieren.
Nach interdisziplinären Diskussionen und einem „shared decision making“ Prozess mit der Patientin entscheiden wir uns zur chirurgischen Entfernung der Läsion. Der intraoperative Situs ist komplexer, als die Bildgebung suggerierte, so dass eine Splenektomie notwendig ist. Der postoperative Verlauf ist holprig, aber am Ende geht alles gut aus.
Weil dies ein kombiniertes „Gastroskop“ und „Infektoskop“ ist, haben wir sichergestellt, dass der entnommene Tumor nicht nur histologisch, sondern auch mikrobiologisch untersucht wurde. Der Befund der Pathologin wird die Verdachtsdiagnose von Herrn Trübenbach und Herrn Tröger bestätigen. Und die Mikrobiologie lieferte schließlich die Erklärung für das erhöhte CrP. Im Inneren des Tumors fanden die Kolleginnen und Kollegen der Mikrobiologie kulturell Salmonella enteritidis.
Welchen Reim machen wir uns darauf?
Den Frantz Tumor hatte unsere Patientin sicher schon während ihres Aufenthalts in Asien. Die „Lebensmittelvergiftungen“, von denen sie berichtet, könnten plausibel durch Infektionen mit Salmonellen gedeutet werden – man muss es annehmen. Irgendwann und irgendwie müssen sich auf jeden Fall Salmonellen einen Weg zum Inneren des Frantz Tumors gebahnt haben.
Wie haben die Salmonellen den Zugang gefunden?
Es ist immer wieder eine uniforme, stur auf einem Trampelpfad wandelnde Übung, die uns – konsequent durchexerziert – die Pathogenese von Infektionskrankheiten verstehen lässt. Ein Prinzip, das universell für Herzklappen, Gelenke, Wirbelkörper und Frantz Tumoren gilt: Infektion „durch direkte Inokulation“, „hämatogen“, oder „per continuitatem“. Anders geht es nicht, anders kommen Krankheitserreger nicht dorthin, wo sie am Ende landen. Da die direkte Inokulation in diesem Fall ausscheidet, bleibt nur die „hämatogene Aussaht“ und die Infektion „per continuitatem“. Unsere Patientin muss dieser Lehre folgend entweder eine Blutstrominfektion gehabt haben, die – begünstigt durch die Einblutung des Tumors – die Salmonellen in dessen Inneres geschwemmt hatte. Oder sie hatte Salmonellen, die sich im Pankreas eingenistet hatten und sich über die Zeit ihren Weg in den Tumor gebahnt haben.
Die Frage, wie viele Menschen fünf Wochen nach einer symptomatischen Infektion noch Salmonellen ausscheiden und damit den Erreger noch beherbergen, obwohl sie klinisch wieder gesund sind, beantwortet eine aktuelle Studie aus Norwegen [2]: Es sind 24 Prozent. Ein Viertel der Menschen mit einer Salmonellose gewährt den Salmonellen an irgendeinem Ort des Gastrointestinaltrakts einen sicheren Hafen. Die Studie kann die Frage nach dem genauen Ort des sicheren Hafens nicht beantworten. Könnte es das Pankreas sein? Belege dafür gibt es im Hühnchen [3], in der Maus [4] und im Entenküken [5]. Unsere Patientin ist ein Hinweis dafür, dass dies auch für den Menschen gelten könnte.
Am Ende war die Hartnäckigkeit der Salmonellen vielleicht sogar eine Fügung des Schicksals, weil erst die Salmonellen Symptome verursacht, unsere Patientin in die Notaufnahme geführt und die Diagnosestellung möglich gemacht haben.
Selten x selten = noch seltener.
Wer weiß, was passiert wäre ohne dieses extrem seltene Zusammentreffen?
P.S.
Virginia Kneeland Frantz geb. 1896 in New York. Eine der ersten Studentinnen an der Columbia Medical School und die erste weibliche „Surgical Intern“ im Prebyterian Hospital in NY. Ihre Lehren, die sie auf ihrem vierzigjährigen Weg durch die Männerdomainen Chirurgie und Pathologie gewonnen hatte, gießt Sie in einer Rede in die folgenden Worte: “There, then, are the costs. What are the rewards? If you go into medicine with stardust in your eyes you will be quickly disillusioned. But, if you are crazy enough to be determined to do it, dedicated enough to be willing to forget yourself and „civilized living“, then I am sure my many female colleagues would bear me out that the rewards are enormous.” [6] Ein Satz der allen Frauen in der Medizin gewidmet ist. Er gilt auf ewig und er gilt für alle.
Dr. med. Hartmut Stocker
Facharzt für Innere Medizin und Infektiologie
Klinik für Infektiologie und HIV-Medizin
Literatur:
- Mazzarella G, Muttillo EM, Coletta D, Picardi B, Rossi S, Rossi Del Monte S, Gomes V, Muttillo IA: Solid pseudopapillary tumor of the pancreas: A systematic review of clinical, surgical and oncological characteristics of 1384 patients underwent pancreatic surgery. Hepatobiliary Pancreat Dis Int 2024, 23(4):331-338.
- Rohringer A, Veneti L, Stüken A, van Boetzelaer E, Lund HM, Nordeng Z, MacDonald E, Naseer U: Risk factors associated with long-term shedding infections of non-typhoidal Salmonella in humans. Eur J Clin Microbiol Infect Dis 2025.
- He GZ, Tian WY, Qian N, Cheng AC, Deng SX: Quantitative studies of the distribution pattern for Salmonella Enteritidis in the internal organs of chicken after oral challenge by a real-time PCR. Vet Res Commun 2010, 34(8):669-676.
- Deng SX, Cheng AC, Wang MS, Cao P, Yan B, Yin NC, Cao SY, Zhang ZH: Quantitative studies of the regular distribution pattern for Salmonella enteritidis in the internal organs of mice after oral challenge by a specific real-time polymerase chain reaction. World J Gastroenterol 2008, 14(5):782-789.
- Deng SX, Cheng AC, Wang MS, Li XR, Yan B: Replication kinetics of Salmonella enteritidis in internal organs of ducklings after oral challenge: a quantitative time-course study using real-time PCR. Vet Res Commun 2009, 33(3):273-280.
- Humphreys GH, 2nd: In memoriam. Virginia Kneeland Frantz, M.D. 1896-1967. Am J Clin Pathol 1968, 49(3):429-430.

